Betreff: Entweihung der Eucharistie

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich bin Jude (wenn auch nicht religiös erzogen) und interessiere mich sehr für Glauben und religiöse Systeme. Wissenschaft allein ist noch nicht Wahrheit. Mir ist klar, dass es da weitaus mehr gibt.

Ich weiß nicht, ob es einen Messiahs gibt, ob er kommen wird – oder ob er in der Person von Jesus bereits gekommen ist. Wenn ich in Israel bin, dann fühle ich mich immer sehr dem Land und den Menschen verbunden. Bei jüdischen Zeremonien wird tief in meinem Inneren etwas angeregt, das ich nicht genauer beschreiben kann. Vielleicht eine Art spirituelle Verbundenheit.
Doch seltsamerweise zieht es mich hier in Deutschland nicht in die Synagogen. Ich spüre auch kein Verlangen, mich einer der jüdischen Gemeinden anzuschließen.

So habe ich Anfang des Jahres, gemeinsam mit einer guten (protestantischen) Freundin begonnen, jeden Sonntag in die Kirche zu gehen, je zu einer anderen Gemeinde. Es ist interessant zu sehen, wie die Predigten je in einem anderen Stil gehalten werden. Und natürlich die Gemeinsamkeiten der Zeremonien und Rituale.

Einen evangelischen Pfarrer hatte ich gefragt, ob ich am Abendmahl teilnehmen dürfe. Er hatte nichts dagegen, begrüßte es sogar. Für mich war es Ausdruck von Respekt gegenüber dem Christentum – und der Versuch, vielleicht auf der Wahrheitssuche einen Schritt voran zu kommen. Vielleicht würde ich ja durch die Teilnahme mich Gott weiter nähern. Vielleicht hätte ich ein Erkenntnismoment… Nun ja, das erhebende Gefühl blieb aus. Aber es fühlte sich gut an, an dem Gemeindeleben teilzunehmen.

Ein weiterer Besuch eines Gottesdienstes führte mich in den „Kleinen Michel“. Eine tolle Predigt. Und auch eine sehr schöne Atmosphäre insgesamt… Doch wie ich erst neulich von einer katholischen Freundin erfuhr hätte ich nicht die Kommunion empfangen dürfen. Ich hätte nicht an der Eucharistiefeier teilnehmen dürfen. Ich wusste das nicht – und bitte innigst um Verzeihung. Ich wollte weder der Gemeinde noch Jesus gegenüber respektlos sein. Im Gegenteil. Ich dachte, dass ich gerade durch mein Handeln Respekt und Anerkennung zeigen würde.
Natürlich hätte ich mich vorher genauer informieren müssen. Es tut mir leid, dass ich das nicht getan habe.

Stimmt es, dass ich durch meine Teilnahme die ganze Eucharistie entweiht habe? Was bedeutet das genau? War Jesus dadurch für alle anderen Anwesenden auch nicht anwesend, habe ich ihn durch mein Sakrileg sozusagen vertrieben? Welche Auswirkungen hatte mein Handeln? Ist die Kommunion wirklich dadurch für alle nichtig geworden? Oder nur für die, die nach mir das Abendmahl empfangen haben? Wie groß ist die Schuld, die ich auf mich geladen habe? Welche Konsequenzen habe ich durch mein Tun zu verantworten?

Es tut mir aufrichtig leid, dass ich mich falsch verhalten habe – und bitte um Vergebung. Natürlich wird es nicht erneut vorkommen.

Um eine Antwort Ihrerseits würde ich mich sehr freuen und danke Ihnen im Voraus.

Mit herzlichen Grüßen,

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Sehr geehrter Herr …,

Herzlichen Dank für Ihre e-Mail. Es hat mich gefreut, dass Sie für das Christentum und seine verschiedenen Ausprägungen soviel Interesse und Respekt mitbringen. In der Frage der Eucharistie haben Sie einen wichtigen Unterschied im Umgang mit dem Sakrament erfahren. Ohne auf die dogmatischen Fragen in Einzeleheiten eingehen zu können, kann ich Ihnen zur Erklärung sagen, dass das Grundverständnis des Abendmahles/der Eucharistie zwischen katholischer und protestantrischer Tradition sehr verschieden ist.

In der evangelischen Kirche ist die Frage nach der Zulassung zur Eucharistie häufig wenig geregelt. Einige Gemeinden praktizieren eine sehr weitgehende Einladung, da sie in Anlehnung an das sog. Letzte Abendmahl betonen, dass Jesus das Abendmahl als Zeichen für alle Gläubigen eingesetzt habe. Der Mahlcharakter soll daher eine verbindende Wirkung für alle haben, die am Gottesdienst teilnehmen. Das dies wie in ihrem Fall auch Nichtchristen umfassen kann, ist allerdings auch für die protestantischen Kirchen unüblich. Schließlich legen Sie damit ein Bekenntnis zur bleibenden Gegenwart Jesu, ein Bekenntnis zu seiner Auferstehung ab.

In der katholischen Tradition gilt der Weg der langsamen Einführung in den Glauben. In der klassischen Initiation in den Glauben und ie Kirche steht zunächst die Taufvorbereitung und Taufe, dann die Firmung und schließlich der Empfang der Eucharistie, die den Höhepunkt des kirchlichen Tuns darstellt (in der evangelischen Kirche ist dies gottesdienstlich gesehen eher die Predigt). Zur Eucharistie können diejenigen gehen, die a) getauft, b) zum Empfang der Eucharistie zugelassen wurden und c) in der Gemeinschaft des Glaubens der katholischen Kirche stehen. Ähnliches gilt übrigens auch in den orthodoxen Kirchen.

Wenn Sie also in einer katholischen Kirche die Kommunion empfangen haben, hat dies strenggenommen für Sie keine Bedeutung, da Sie kein Christ sind. Allerdings überschreiten Sie auch eine Grenze. Dies kann in der Außensicht unterschiedlich wahrgenommen werden. Während einige der Katholiken wahrscheinlich keinen größeren Anstoß nehmen, werden andere dies tun. Daher stammt dann auch die Rede von einer Entweihung der Eucharistie, (ein Sprachgebrauch, dem ich mich so nicht anschließen würde), da praktizierter und innerer Glaube natürlich zusammenstimmen sollten. Stellen Sie sich vor, ein Christ würde um die Beschneidung anfragen, zugleich aber erklären, er sei sich aber nicht sicher, ob er Jude werden wolle. Die Reaktionen darauf würden in ihrer Tradition sicherlich auch unterschiedlich und unterschiedlich heftig ausfallen.

Da Sie die Eucharistie nicht im bösen Willen empfangen haben, brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen. Dies hat keine Auswirkungen auf Sie oder den rest der Gemeinde. Wenn Sie Interesse haben und es Ihnen am Kleinen Michel gefallen hat, könne Sie gerne auch das persönliche Gespräch mit Pater Löwenstein oder mit Pater Leblang suchen, die beide für Sie kompetente Gesprächspartner wären.

Mit freundlichem Gruß,

Georg Bergner

 

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Sehr geehrter Herr Bergner,

Die letzte Mail ging versehentlich an Sie. Ich wollte sie einer Freundin schicken, die Anteil an meinen Bedenken und Sorgen nahm.

Ich bin beruhigt, dass ich doch nicht so viel Schaden verursacht habe, wie einige mir sagen wollten. Für Ihre schnelle Antwort bin ich sehr dankbar. Ich wünsche mir so sehr das beste für die Welt und unsere Mitmenschen, dass ich echt Sorge hatte, etwas negatives getan zu haben.
Vielen Danke, dass Sie sich Zeit für mich und mein Anliegen genommen haben.

Um ehrlich und offen zu sein: Ich war nicht nur im Kleinen Michel, sondern auch am 22.09. in Berlin im Olympia Stadion. Ich bin sehr erleichtert, dass mein Fehlverhalten nur mich und nicht auch andere betrifft. Es tut mir sehr leid, dass ich gegen Ihr Verständnis und Ihre Regeln verstossen habe.

Falls Sie Zeit haben, würde ich gerne Ihr Welt- und Gottverständnis kennen lernen. Das kann demnächst, in ein paar Wochen oder Monaten sein.

Mit besten Grüßen,
Gut’s Nächtle

Ihr …