Am gestrigen Freitag Abend war ich nach der Uni wieder bei dem Schamanentreff, zum zweiten Mal insgesamt. Wieder waren wir insgesamt zu fünft, diesmal in anderer Zusammensetzung. Ich freute mich, die bekannten Gesichter wieder zu sehen. Und war neugierig auf die beiden für mich neuen, von denen jede eine ganz besondere, faszinierende Ausstrahlung hatte. Wir beschnupperten uns gegenseitig – und waren einander auf Anhieb sympathisch. Ich wurde in die Gruppe, in das Rudel aufgenommen.

Nach den Auflockerungen und Entspannungsübungen legten wir uns auf unsere Bodenmatten, sternförmig ausgerichtet um eine Mitte, in der Kerzen brannten. Ich deckte mich zu, schloß die Augen – und ließ mich von dem schnellen Rhythmus der Trommeln (CD im Ghetto-Blaster) tragen. Diesmal sollte die Reise wieder in den Norden gehen. Jedoch nicht zu dem dort herrschenden guten Geist, sondern zu unserem Gegner oder Gegenspieler. Ich habe ja nicht so viel Erfahrung mit dieser Art von inneren Reisen, wußte also auch nicht genau, was ich tun sollte oder erwarten dürfte. Ich vertraute mich meinem Unterbewusstsein an – und hörte auf den Rat meiner Mitreisenden: ich solle meinen Gegner um ein Geschenk bitten.

In der vorangegangen Sitzung hatte mir der gute Geist des Nordens ja gesagt, dass ich meinen Gegner hinter einen der sieben Farbstrahlen des Regenbogens finden würde. Ich müsse nur herausfinden, hinter welcher Farbe er sich als Schatten verstecken würde.

Diese schamanischen Reise erinnern ein wenig an die Hypnosesitzungen, bei denen es ja auch Ziel ist, seinem inneren Selbst zu begegnen. Und mit Hilfe von Auto-Suggestion veruschte ich dann, mich in einen immer tieferen und tieferen Trance-Zustand zu begeben… Für mich ist dabei das Ziel, in einem absolut leeren und abgedichteten Raum zu gelangen, den ich mir primär Quadratisch, als Würfel vorstelle. Ich bin quasi im inneren dieses Würfels, der aber nur ein geistiges Konstrukt ist. Konkret, aber immateriell. Vielmehr nur ein Prinzip, eine virtuelle Struktur. Eine imaginierte Platform, auf der die Reise als Film dann Gestalt nehmen sollte.

Der erste tatsächliche Schritt besteht dann darin, sein Krafttier herbei zu rufen. Ich habe da eine ganze Reihe von Tieren – und bin jedes Mal aufs Neue gespannt, welches nun erscheinen würde. Da wäre zum Beispiel der Wolf – wobei das eher eine Gestalt ist, in die ich mich selbst als Traumkörper verwandle, wenn ich mich in „feindliches“ Terrain hinein projeziere. Es ist quasi ein Außenbild, das ich annehme – und nicht eine Form, die mir normalerweise begegnet. Und wenn, dann als weißer Golden Retriever: LUNA. Manchmal steht mir mein Delphin zur Seite. Eine enge Verbindung besteht zu einer Kuh als Krafttier, weshalb ich ja auch auf den Namen „Mad Cow“ einst getauft worden war… Ich könnte die Liste weiter fortsetzen, doch mein eigentliches Krafttier in diesem Leben ist ein weißer Hase. Das andere sind eher sprituelle „Verbündete“. Aus der schamanischen Richtung, wo ich ursprünglich herkomme, ist es üblich, dass man als das jenige Tier inkarniert, das man zu einem Verbündeten machen will. Man verbrüdert sich quasi. Aber darauf bin ich ja schon an früherer Stelle eingangen.

Es erschien mir also mein treuer Hase. Und ich bat ihn, mich in den Norden zu bringen. Er hoppelte vor mich her. Viel zu langsam und gemütlich für meinen Geschmack. Ich befürchtete schon, so würde ich nie ankommen. Aber schließlich waren wir doch in Norwegen, wie mir schien. Ich blickte über einen wunderschönen Fjord hinweg. Mein Hase saß auf einer grünen Wiese, rupfte Gras, mampfte gemütlich vor sich hin… Telepathisch teilte er mir dann mit, dass er absichtlich einen so friedlich und unbedrohlichen Eindruch erwecken müsse, damit er mich zu meinem Gegner bringen könne. Er müsse harmlos erscheinen, damit sich „die Tür“ öffnen könne.

Plötzlich erstrahlte ein Regenbogen. Mein Hase mümmelte ihm entgegen und gab mir zu verstehen, dass ich dorthin gehen sollte, wo er auf den Boden traf (die andere Seite des Bogens mündete im Meer). Ich ging darauf zu. Der Hase blieb zurück und machte sich weiter über das schmackhafte Gras her. Ich kam dem kräftigen Regenbogen näher und näher – plötzlich stieg eine Gestalt aus dem Grünen Farbstrahl heraus. Ich erschrak ein wenig: sie sah aus wie ich. Es war mein Spielgelbild. Aber ich spürte auch, das es etwas fremdes war. Das war nicht ich. Das war auch kein Zwilling oder Klon, nicht mein inneres Selbst… Dies musste mein Gegenspieler sein. Er hatte sich nur als mich verkleidet… Er gab mir ein Geschenk, ohne, dass ich darum hatte bitten müssen. Es war eine Tarnkappe, ein Mechanismus, um mich selbst unsichtbar machen zu können. „Ich gebe Dir Anonymität“, sagte mein Widerpart und gab mir zu verstehen, dass wir beide so diesselben Voraussetzungen hätten. Er gab mir intuitiv aber auch zu verstehen, dass er mich immer auslöschen könne. Indem er an meine Stelle trete; schließlich sehe er ja genauso aus wie ich. Er kann sich als mich ausgeben.

Dann befanden wir uns plötzlich am Nordpol. Wir standen auf einer großen kosmischen Waage, jeder auf eine der beiden Schalen; Justizia mit ihren verbundenen Augen thronte dahinter. Es war absolut ausgeglichen, die Waage befand sich im Lot. Wir standen mit den Rücken zu einander (fast wie beim Duell) und ich sollte von 100 runter zählen. Jede Zahl war ein Schritt. Genau bei 50 trafen wir auf einander – und standen uns nun von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Waren wir am Äquator angelangt? Oder standen wir nun am Südpol? Oder war das zu zweidimensional gedacht? Ich verstand das jedenfalls so, dass – egal welchen Gegner man auch hat – es übergeordnete Spielregeln gibt, es ein Gebot der Fairness gibt – und das Gegenspieler immer ausgewogen sind. Es besteht also für jeden eine faire Chance. So in etwa.

Mein Gegenspieler verwandelte sich in ein Tier, das wie eine Mischung aus Meerschweinchen und Hase aussah, mit geschecktem Fell. Und es begann sich instentan zu vermehren. Wie bei der Zellteilung zerplatzte ein Muttertier – und brachte zwei Nachfahren hervor. Die Viecher begannen das Feld zu füllen… Ich besann mich auf meinen Hasen. Ich verwandelte mich in ihn. Und imitierte die Vermehrung. Tatsächlich klappte es auch…

Irgendwie verschwand dann alles wieder. Ich war wieder im Norden. Ich wußte, dass ich meinen Auftrag erledigt hatte. Meine Hase war verschwunden. Und ich wollte zurück nach Hamburg kommen. Da kam ich auf die Idee, mir eine Gans zu schnappen, um auf ihr, wie Nils Holgerson, zurück nach Hamburg zu reisen. Gesagt getan. Ich kam pünkltich an der Alster an, als die Trommelfolge, die das Ende der Reise ankündigte, ertönte.

Ich brauchte etwas Zeit, um mich zu sammeln und die Eindrücke zu ordnen. So ganz weiß ich noch immer nicht, was mir dieses Erlebnis sagen will. Das ich selbst mein eigener Gegner und und größter Gegenspieler bin? Das fänd ich zu einfach. Dass ich mir selber am meisten im Weg stehe ist mir zu trivial. Es muss sich mehr dahiner verbergen.